Cover
Titel
Armut im Mittelalter.


Herausgeber
Oexle, Otto Gerhard
Reihe
Vorträge und Forschungen 58
Erschienen
Ostfildern 2005: Jan Thorbecke Verlag
Anzahl Seiten
404 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Eberl Immo

Der vorliegende Band legt mit seinen zehn Beiträgen die Vorträge auf der Tagung des Konstanzer Arbeitskreises vom Frühjahr 1998 im Druck vor. Die Mediävistik hat im Unterschied zur Erforschung der Führungseliten den Komplex «Armut und Arme» bislang wenig beachtet. Erst durch die französische Mediävistik wurde auch die Leseforschung in Deutschland angestossen. Der vorliegende Band will durch seine Beiträge der Forschung zu dieser Thematik neue Impulse geben. Thomas Raff zeigt als Kunsthistoriker, unterstrichen durch eine Reihe eindrucksvoller Abbildungen, das Bild der Armut im Mittelalter. Dabei zeigt sich, dass die Möglichkeiten sehr vielfältig sind, die Armut des Mittelalters durch Bildmaterial zu verdeutlichen. Der vom Verfasser geschaffene Überblick ist beeindruckend. Dieter Kartschoke untersucht die Armut in der deutschen Dichtung des Mittelalters, beschränkt sich dabei aber auf das 12./13. Jahrhundert. Wie schon im Bereich der Kunst wird auch bei der Literatur das sehr breitgefächerte Bild der Darstellung deutlich, wobei sich die vielen Spielarten der Armut überzeugend nachweisen lassen. Beate Schuster geht auf den Kreuzzugsbericht des Raimund von Aguilers und die Armenfrage ein. Joseph Morsel gibt mit seinem Beitrag «Adel in Armut – Armut im Adel?» die Situation des spätmittelalterlichen Adels wieder. Er weist dabei die Bandbreite der Bezeichnung «arm» nach und deren Bedeutung im spätmittelalterlichen Adel. Valentin Groebner behandelt die Kultur der Armut in der spätmittelalterlichen Stadt. Wie im Adel findet sich auch in der Stadt eine Vielzahl verschiedener Beispiele für den Begriff «arm». Peter Schuster prüft die Armut in der spätmittelalterlichen Buss- und Strafgerichtsbarkeit. Er arbeitet dabei die sozialen Netzwerke heraus und kann nachweisen, dass Bedürftigkeit vor allem durch das Fehlen eines familiären Rückhaltes ausgeprägt war. In der Strafjustiz wurde dieser fehlende Rückhalt sogar vielfach für die Betroffenen verhängnisvoll. Damit ist erneut die Bedeutung der Familie und deren Einbindung in die jeweiligen sozialen und politischen Verhältnisse des Umfeldes nachgewiesen. Gabriela Signori wendet sich dem Alter und der Armut im späten Mittelalter zu. Sie zeigt in ihrer Untersuchung, dass bei den sog. Armen nach den Verträgen über das Pfründenwesen zwar eine Ressourcenknappheit bestanden hat, dass aber Ressourcen keineswegs vollkommen gefehlt haben. Hier wäre die Frage zu stellen, ob nicht unterhalb der von der Verfasserin untersuchten Gesellschaftsschicht noch eine Schicht weitgehend Besitzloser bestanden hat, die in den Quellen überhaupt nicht greifbar sind. Frank Rexroth behandelt Arme und Randständige im London des 15. Jahrhunderts. Diese Bevölkerungsteile waren stigmatisiert. Dabei wirkte sich auch ihre zahlenmässige Erhöhung aus, die um 1450 durch eine grosse Zahl von Kriegsteilnehmern erfolgt war, die nach London gekommen waren. Ernst Schubert weist nach, wie sich der Almosengedanken in den Jahren um 1400 und um 1500 eingeschränkt und umgeformt hat. Abschliessend werden von Franz J. Felten die Ergebnisse der Tagung zusammengefasst. Dabei wird erstmals ein gutes Stück der in Deutschland bislang fehlenden Forschungen zum Armutsproblem aufgeholt. Er geht in zwei Exkursen auch auf die «starken Armen» im frühen und hohen Mittelalter und die «pauperes» der Karolingerzeit ein. Durch diese Zusammenfassung werden die Gemeinsamkeiten der behandelten Themen herausgearbeitet. Es ist dem Konstanzer Arbeitskreis mit dem vorliegenden Band gelungen, ein langes Desiderat der Forschung aufzugreifen und mit einer solchen Fülle von Einzel heiten aufzuarbeiten, dass der weiteren Forschung der Weg geöffnet und gewiesen, aber auch die künftige Arbeit in verschiedenen Problemstellungen erheblich erleichtert ist. Der Band bietet einen raschen Überblick über die gesamten Problemfelder dieser Forschungsrichtung.

Zitierweise:
Immo Eberl: Rezension zu: Otto Gerhard Oexle (Hg.): Armut im Mittelalter (Vorträge und Forschungen, Band 58). Ostfildern, Jan Thorbecke Verlag, 2005. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 56 Nr. 1, 2006, S. 115-116.

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Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 56 Nr. 1, 2006, S. 115-116.

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